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...::: CHRIS NORMAN LIVE :::...

Hier und jetzt zählt nur das Damals

 
Ex-Smokie-Sänger Chris Norman schmachtet im vollen Gewandhaus vor verzückten Zuschauern
 
Die Casio-Uhr im originalgetreuen Look der End-70er zeigt Zwanzig-Null-Null-Drei an, als am Donnerstag das Licht im vollen Saal verlöscht. Kurzes Gitarrenbrummeln, dann vollzieht sich auch auf der Gewandhaus-Bühne ein Nachbau der Vergangenheit. Der Architekt einer akustischen Renaissance heisst Chris Norman, der noch immer das Haar nach dem Vokuhila-Prinzip pflegt und so erwährmend lächelt wie zu jener Zeit, als die Quarzuhren den West-Markt eroberten und sich deren Träger der Gretchenfrage stellen mussten: Smokie oder Bay Cizy Rollers - eine Entscheidungsnotwendigkeit wie zwischen St.Pauli und HSV.
Diejenigen, die unfassbare 35 Jahre später nach den ersten Klängen ihre Plätze Richtung Bühnenrand verlassen, haben sich damals definitiv für den Mann mit der knarzigen Vokalkunst entschieden. Symbolhaft hat der 63-Jährige für seine Tour 2014 die Leinwand-Kulisse eines Wohnzimmers unter die Schuke-Orgel hängen lassen: Smokie-Songs hören ist halt wie nach Hause kommen, Zurückfinden in die Behaglichkeit der Jungspund-Bude. Auch wenn Gründungsmitglied Terry Uttley noch immer unter dem Bandnamen tourt, der wahre Schmus- und Gitarrengeist der 1972 gegründeten Gruppe steckt in der samtig-rauen Stimme des Christopher Ward Norman, der unverändert schlank und agil vergessen lässt, dass wir alle ziemlich olle Säcke geworden sind.
Hätte diese Stimmung aus Strassstein-Blusen, Mitklatsch-Instinkt, Handtaschengebaumel, Erinnerungssüße und prickelnder Alltagsflucht einen Geschmack, es wäre Aperol Spritz.
Auch dank Normans lässig-sprudliger Art, in der er sich durch die gute Stube bewegt, Scherzchen macht oder sich das Plektrum an die feuchte, Solarium-gegerbte Stirn heftet.
Die eingestreuten Songs seines aktuellen Albums "There and Back" kommen kaum über Alibifunktion hinaus, denn hier und jetzt zählt einzig das Damals: "Livin'Next Door To Alice", "If You Think You Know How To Love Me" (nicht nur Normans Smokie-Lieblingssong) oder "Oh Carol". Dazu das Duett "Stumblin In" (Gittaristin Pam MacBeth gibt die Suzi Quatro) und der Solo-Schmachtfetzen "Midnight Lady" - mehr braucht man gar nicht.
Bekommt man aber, denn leider ist der Brite auf die Idee gekommen, Klassiker nachzuspielen. "Hey Jude" der Beatles beispielsweise oder Frankie Millers schnuckliges "Darling". Braucht an diesem Abend kein Mensch und geht auf Kosten weiterer Smokie-Hits.
Auf der Vermisstenliste - was für ein Jammer - bleiben Meilensteine wie "Wild Wild Angels" und " "For A Few Dollars More". Gottlob aber raspelt der Sänger "Needles And Pins" in den Saal. Auch ein Cover, nämlich von den Seachers, aber immerhin von Smokie einst selbst neu aufgelegt.
Am Ende der schnuffligen Retro-Party zeigt die Nostalgie-Casio Einundzwanzig-Fünfundfuffzig. Erbarmungslos wandert das Konzert in den Fundus der Erinnerung. Gemein ist das.

Mark Daniel

 
 
QUELLE: LVZ 22.04.2014


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